Durs Grünbein zu "unterm bett liegt ein skelett":
Das sind keine Kindergedichte. Das sind Zaubersprüche für den Homo sapiens der Cornflakes-Kultur.
FAZ vom 09.03.2015:
Arne Rautenbergs Gedichte gelten als Höhepunkte aktueller Poesie.
Harald Hartung über "gebrochene naturen" in der FAZ:
Rautenbergs Gedichte sind lyrische Mobiles, anmutige kleine Kunstmaschinen, die sich im Wind drehen. Es muss nicht der Atem großer Inspiration sein, der sie bewegt. manchmal genügt es, wenn der Autor die Lippen spitzt und pustet. ... Ein Talent von Morgensternscher Art, witzig und kauzig. Doch stehen ihm auch ernstere Töne zur Verfügung. Schön und anrührend ist seine "vogeluhr". Darin werden morgens die Singvögel wach; vom Gartenrotschwanz bis zum Star. Beim Haussperling heißt es: "ich denke mich und ich bin es nicht der mich denkt." So denkt der Lyriker. Und der Dichter im Leser denkt ihm gern nach.
Ulrike Draesner über "vermeeren":
„ausdauernd strahl ich“ - so könnten sie alle heißen, Arne Rautenbergs Haikus und Einzwei-Wort-Gedichte, seine Lettertangenten und Wallross-Hasen-Wespenoden, die sich so eigensinnig verhalten, wenn man in ihre Nähe kommt: sie lassen sich aufnehmen, aber bleiben nie, was man in ihnen sah, als man nach ihnen griff. Sogleich muss man selbst sich auch verändern, denn was man in der Hand hält springt einem an den Hals, ins Gehirn, ins Herzen, zu den Lachmuskeln, in die Beine, oder läuft vor einem davon, wobei es vor Lachen auf dem Boden rollt, der bereits die eigene Kehle ist. Dabei hinterlässt es einen wundersamen Geschmack nach Bubblegum zwischen Riesen-Walross-Stoßzahnlücken, nach träumenden Eulen und Kinderzeit, kann aber auch bitterböse werden, bissig und frech. Je mehr man damit umgeht, um so nachhaltiger wundert man sich, wie es sein mag, dass ein so einfaches „Ding“ wie diese Gedichte einfach kein Ding sein will, sondern es schafft, als beides zugleich in Erinnerung zu bleiben: als Bild und als Wort, als Bild auf der Seite und als Nachbild zu einem Bild, das weiter vorn im Buch zu finden war, doch wenn man danach sucht, verästelt sich, was man das eigene Sehen nennt und viele Bilder wollen zusammenpassen oder sich aneinander reiben.
Es ist, als streckten die Gedichte sich aus.
Dass sie das tun, will mir denkwürdig scheinen, und in Ermangelung eines besseren Wortes will ich es „ein Vor-bild sein“ nennen, denn sie werden Bilder zu Szenen, die man noch gar nicht gesehen hat, ja sogar zu solchen, die man nicht sehen kann. Denn oft genug befeuern Szene aus dem Inneren der Sprache Rautenbergs Gedichte – Spiele im Alphabet und oder mit dem Klang von Wort und Satz, Koppelungen von ungewöhnlichen Substantivkombinationen mit einfacher Wiederholungsstruktur, so dass der Blick sich doppelt und wir uns fragen, wo der Kopf uns steht, wenn wir reden, wenn wir schreiben.
Bei Rautenberg macht diese Frage Spaß, weil seine Gedichte immer so mit einer Sprachidee umgehen, dass daraus eine Spracherkenntnis als glänzendes, weil eigenes Bild im Kopf entsteht. Und der wandert einem, ehe man sich versieht, munter und vergnügt im Sombst durchs Wort-Gebirg.
Das Gedicht „frühling / frühmer / frühbst / frühter“ bis zu „winling / winmer / winbst / winter“ etwa zeigt allein mit einer Silben-Kombinationsidee trefflich, wie Sprache jenem Zwischenreich angehört, in dem wir uns mittels ihrer unsere Welt und damit uns selbst zusammensetzen. Denn ein Leben im Sombst, im Frühter – ja, denke ich, das kenne ich: diese Wörter gehören unbedingt in den allgemeinen deutschen Wortschatz! Insgesamt ergeben die Gedichte ein erzählerisch spielendes Textbuch für jeden, der, gekitzelt an ungewöhnlichen Stellen in Gaumen und Gehirn, die deutsche Sprache besser kennen lernen will, ihre infamen Tücken, ihre irren Kombinationsregeln (be-an-spruchen, be-vor-munden), ihren Reichtum. Rautenbergs vermeeren vermehrt uns, indem es Bewegungen aus dem Inneren der Sprache zeigt – von dort also, wo wir uns begegnen, befragen, verknoten, wo wir lachen und außer uns bei uns sind.
Im Sombst 2006
Ulrike Draesner
Franzobel:
Mein Ebenbild in Kiel - und doch ganz jemand anderes. Ein interessanter Kerl jedenfalls.Jan Koneffke:
Arne Rautenberg entwickelt sich immer mehr zu einem - im besten Sinne - neuen, zeitgenössischen Morgenstern. Soviel (artistischer) Un-sinn war nie.
Thomas Lang im Müncher Lyrik-Kabinett am 20.01.2009:
Zwei Dinge fallen einem sofort ein, wenn man an Rautenbergs lyrische Arbeiten denkt: Vielfalt. Und: Abwesenheit von Pathos. Die Vielfalt in Rautenbergs Gedichten, drückt sich vor allem in einer großen Varianz der Formen aus. Neben der freien Strophe gibt es die gereimten Verse, auch feste Versmaße, neben dem optischen das Lautgedicht und so fort. Rautenberg ist auch ein Meister des Haikus. Die Strenge dieser japanischen Gedichtform ist ihm dabei gar nicht gemäß und er lässt sich von ihr künstlerisch ebenso wenig einengen, wie von anderen puristischen Forderungen. So konnte etwa sein Bennetton-Schock-Haiku entstehen. Es hat 24 Strophen und führt den Leser über eine rasante Peronality-Kaskade von Jesus zu Brigitte Bardot. Strenge herrscht bei Rautenberg eigentlich nur in einer Hinsicht: originell muss sein, was er hervorbringt. Er ist hingegeben an den guten Einfall, die Funken, die seine Ideen schlagen. Das zweite Merkmal, fehlendes Pathos, nicht mangelndes, ist ein durchgehendes Kennzeichen seiner Arbeit. Wo viele deutschsprachige Lyriker bis heute auf eine postexpressionistische, in 50er-Jahre-Manier hermetische, manchmal verquaste „je-weniger-Leute-mich-verstehen-umso-besser“-Poetik setzen, da kommt Rautenberg mit seinen Gedichten als Austreiber jeder geistigen Verquertheit gerade recht.
Dieter M. Gräf über "einblick in die erschaffung des rades"
Arne Rautenberg bezieht sich in seiner Arbeit auf visuelle Poesie, aber geht über die Erwartungen hinaus, die man mit dem Genre verbinden mag, indem er nicht nur Schrift-Bilder schafft, sondern Gehalt und Gestalt besonders überzeugend koppelt: Seine Kreis-Texte funktionieren eben auch als Poesie, die nicht wirklich verliert, wenn man sie aus der attraktiven optischen Fassung in die akustische holt. Rautenbergs Sprach-Kreise haben keine avantgardistische Sprödigkeit, sie sind vielmehr sinnlich-suggestiv, und sie setzten nicht auf eine Pointe, obgleich auch Witz sie nährt, so wie die Melancholie, oder die Sehnsucht, eine meditative Struktur anzulegen, eine Endlosigkeit, die man weglegen kann, und wieder hervorkramen, und die ins Ohr geht, wie Wellengang.