rückfahrt von skallingen


ließ mir die haare wachsen
ließ sie mir asymetrisch abraspeln
trug anzüge und kurze hosen
ging hierhin und dorthin grüßte blieb freundlich
ließ mir niederlagen nicht anmerken
lernte mit 17 im freibad meine frau kennen
schrieb tausende von gedichten
wurde vater von einem mädchen
wurde vater von einem jungen
ging mit dem mädchen in die oper
ging mit dem jungen auf den fußballplatz
wurde vierzig einundvierzig fünfundvierzig
lag plötzlich mit einer lesebrille
in der badewanne
las brassais gespräche mit picasso
interessierte mich für kriege
lebte im glück meiner ureigenen ereignislosigkeit
fuhr als reisender dichter aus der stadt
kam als reisender vater zurück
schlief im hellen wachte im dunkeln
sah morgens in den spiegel
sah den zügellosen ausdruck
von schlafmangel und kreativität
genoss die berührung der haut
mit dem wasser des tages
verfügte über meine zeit oder glaubte über sie zu verfügen
dachte an bevorstehende verluste
träumte von bevorstehenden verlusten
dachte an den spruch meiner großmutter der ihr
nach dem 90gsten geburtstag wieder einfiel
geduldige schafe gehen viele in einen stall
dachte an meine ungeduld
dachte an den maler billy childish
der malte immer nur sonntags in der manier von munch
waren das bilder unseres fin de siècle? nein
er malte epigonale bilder und das war ok
sah mir immer wieder japanische farbholzschnitte an spürte nach
wie sie in unsere kunstgeschichte drangen sie anstießen
dachte an etwas unaufgeregt großes
den schwarzweißfernseher den ich auf eigene faust mit vierzehn kaufte
dachte an den ersten und einzigen film
den ich abends in meinem zimmer darauf sah
den van gogh film
mit kirk douglas und anthony quinn
dachte an den nächsten tag an dem meine eltern mich zwangen
den fernseher zurück in den laden zu bringen
doch mein leben wurde ein anderes als das welches sie sich
für mich vorgestellt hatten
dachte an hokusai seinen ausspruch
alles was ich vor meinem siebzigsten geburtstag geschaffen habe
ist nicht der rede wert
fuhr mit 120 kmh gelangweilt auf der autobahn
die E45 von kolding nach sonderburg runter
richtung nordostseekanal zurück nach kiel
ich fuhr am heißesten tag des jahres
kurz bevor ich an den stau heranfuhr sah ich
auf dem asphalt einen dunklen fleck
der nach rechts flog
eine fette erdkröte sprang
um ihr leben ich drehte am lenker
der wagen geriet leicht ins schlingern
neben mir meine frau hinter mir meine kinder
im rückspiegel sah ich die kröte
den klumpen leben im sprung
seiner nackten möglichkeiten



selbstportrait als welle


ein kommen und gehen
nicht von vorn
nicht von hinten
verstehen
ein drehen und wenden
verrauschen und enden



verteidigung des selbstbildes


die angst vor misserfolg
sie fraß mich krümel blieben
verwerflich war mein glaubenssatz
mich hat er aufgerieben
der welten nervenenden
sind mir ins knochenmark geschrieben
der letzte zielkonflikt
ihn hab ich ausgeschwiegen

summierte irrelevanzen
distanzen ohne lohn
ein trottendes gewohnheitstier
halb träge noch halb schläfrig schon
die blutarmut genehm
den herzschlag voller zorn
aufs kopfschütteln gepolt
ein dorn sticht sich am dorn

ein wertneutraler kraftausbruch
ein lachen noch im ärgsten fluch
ein treiben ins vergessen
ein vorher land vermessen